Wenn die Familiensprache im Ausland nicht Deutsch ist und Kinder auch zu Hause die Umgebungssprache klar bevorzugen, kann es für deutschsprachige Elternteile zur großen Herausforderung werden, zwischen Schule/Kindergarten/Krippe, Beruf und Familienalltag noch ausreichend Zeit und Energie zu finden, mit ihren Kindern Deutsch zu lernen. Hier sind fünf Tipps, wie das Deutschlernen mit mehr Motivation und Spaß gelingt.
1 – KISS: Keep It Short And Simple
Wahrscheinlich ist es dem deutschen Ordnungssinn geschuldet, dass Deutschkurse für Kinder meist rein thematisch aufgebaut sind. In der ersten Stunde werden alle Farben gelernt, in der zweiten Obst, in der dritten Stunde Tiere. Ich habe mehr als einmal beobachtet, dass viele Kinder schnell überfordert sind, wenn sie auf einen Schlag alle Farben oder 15 Tiernamen wiederholen sollen. Daher sollten wir beim Deutschlernen zu Hause eher nicht anstreben, einen systematisch aufgebauten Sprachkurs abzuspulen. Viel besser ist es aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, jeden Tag nur ein paar neue Wörter zu lernen und gleichzeitig viel Abwechslung zu bieten.
Hier ein simples Beispiel:
“Was ist das?” “Das ist ein Bär.”
“Und was ist das?” “Das ist ein Affe.”
Am nächsten Tag weiter mit den Wörtern “Bär” und “Affe” arbeiten und dabei eine Farbe integrieren.
“Was ist das?” “Das ist ein brauner Bär.”
“Und was ist das?” “Das ist ein brauner Affe.”
Und morgen isst der braune Affe dann eine gelbe Banane und der braune Bär findet süßen Honig.
Wichtig ist, dass ihr genau behaltet, welche Wörter ihr neu eingeführt habt, so dass ihr diese im Laufe der nächsten Tage weiterverwendet. Nur durch häufiges Wiederholen plus das Kreiieren von Bildern und kleinen Geschichten werden neue Wörter fest verankert.
2 – Aufhören, wenn es am schönsten ist
Gleichermaßen kontraproduktiv ist es, die Aufmerksamkeitsspanne eines Kindes in jeder Lerneinheit vollkommen auszureizen. Dann lauft ihr nämlich schnell Gefahr, entnervt aufzuhören, weil das Kind plötzlich alles durcheinanderwirft, was noch vor ein paar Minuten gut geklappt hat. Das ist sowohl für euch als Eltern als auch für eure Kinder frustrierend.
Besser ist es, jeden Tag nur ein paar Minuten Deutsch zu lernen und immer dann aufzuhören, wenn es am schönsten ist, nämlich dann, wenn ein Erfolgserlebnis erreicht ist. Hat man auf einem Hoch geendet, ist die Motivation am nächsten Tag groß, weiterzumachen. Nur so schafft ihr es, täglich Deutsch zu lernen!
3 – Interessen berücksichtigen
Weil es so wichtig ist, Spaß und Motivation aufrechtzuerhalten, damit das Deutschlernen am nächsten Tag mit Schwung weitergeht, solltet ihr Deutschübungen möglichst an die Interessen eurer Kinder anpassen. Wir wollen natürlich nicht, dass unsere Kinder nur Begriffe rund um Weltraum und Raketen oder Pferde und Tiere lernen. Mit etwas Fantasie lassen sich aber viele neue Wörter in genau solche bevorzugte Themenfelder integrieren!
Hier ein simples Beispiel zur kreativen Wortschatzerweiterung:
“Der Astronaut fliegt in der Rakete.”
“Der Astronaut fliegt in der großen, roten Rakete.”
“Der Astronaut heißt Lukas und ist 6 Jahre alt. Er fliegt zum runden Mond und isst dort eine gelbe Banane. Dabei sitzt er auf einem weichen Kissen und zählt Sterne. Wie viele Sterne kannst du zählen?“
“Lukas ist ein Astronaut, der zum Planeten Jupiter fliegt. Dort ist es heiß. Deshalb trinkt er Wasser, Tee und Limonade. …”
Die innere Lernbereitschaft von Kindern ist um einiges höher, wenn wir ihre aktuellen Interessen berücksichtigen und sie zum Deutschlernen genau dort abholen, wo sie gedanklich gerne sind! Passen die Lerninhalte nicht in ihr Weltwissen, verlieren wir schnell ihre Aufmerksamkeit.
4 – Mit allen Sinnen
Kinder lernen intuitiv, nachahmend und spielerisch. Sie lassen sich schnell für gemeinsame Aktivitäten begeistern und erleben gerne etwas mit allen Sinnen. Hören, Fühlen, Sehen sind wichtig – Kinder wollen beim Lernen etwas tun, aktiv sein, mitmachen und sich bewegen. Am besten klappt das Deutschlernen daher, wenn sie gar nicht groß merken, dass sie eigentlich Deutsch lernen!!! Ob Memory oder Ich sehe was, was du nicht siehst, gemeinsam deutsche Kinderlieder singen, Geschichten lesen und Hörbücher anhören, Lernkarten oder Kaufladen spielen oder ein Video schauen – euer privates, kleines Deutschprogramm zu Hause sollte viele verschiedene Spiele und Aktivitäten umfassen!
5 – Loben, Loben, Loben
Wenn ich etwas in 14 Jahren Schulleben in England gelernt habe, dann ist es der Unterschied zwischen britischem Loben und deutschem Nicht-Loben. Hier in UK sehen sich Lehrer als Team- und Cheerleader, die alle Kinder in ihrer Klasse unterstützen, motivieren und zu ihren individuellen Höchstleistungen (Be the best you can be!) anspornen. In den USA ist es meines Wissens sehr ähnlich. Jeder noch so kleine persönliche Erfolg wird mit viel Lob gefeiert. Es gibt Sticker oder Smilies zur Belohnung und regelmäßig Zertifikate und Preise für besondere Leistungen.
Wir Deutschen tun uns mit enthusiastischem Loben meist schwer und schwenken stattdessen zur konstruktiven Kritik über: „Das ist aber ein schönes Bild, warum malst du nicht noch einen blauen Himmel mit Wolken dazu?“ (indirekte Bedeutung: Da fehlt der Himmel, das Bild ist noch nicht fertig!)
Während wir mit solchen konstruktiv-kritischen Kommentaren unsere Kinder ebenfalls animieren wollen, noch besser zu werden, geht das enthaltene Lob (ein schönes Bild) jedoch meist kläglich unter – und damit oft auch die Motivation der Kinder, weil bei ihen leicht der Eindruck entsteht, dass sie nie gut genug sind.
Beim oft als schwierig empfundenen Deutschlernen sollten Eltern jeden noch so kleinen Fortschritt angemessen loben und auch belohnen. Gerade wenn Kinder die vielen persönlichen Vorteile einer Zwei- oder Mehrsprachigkeit noch nicht selbst erkennen oder bewerten können und ihre intrinsische Motivation dementsprechend gering ausfällt, sind Lob und Motivation die wichtigsten Erfolgsfaktoren!
Daneben solltet ihr beim Deutschlernen zu Hause grundsätzlich berücksichtigen, welchen Lernstil eure Kinder durch die lokale Schule gewohnt sind. Werden sie in der Schule von enthusiastischen Lehrern viel gelobt und zu Hause eher nicht, wirkt sich das negativ darauf aus, wie sie das Deutschlernen und ihre Deutschkenntnisse im Vergleich zu anderen Fächern einschätzen.
6 – Den richtigen Zeitpunkt finden
Ein strukturierter Tagesablauf bildet für viele Kinder einen wichtigen Orientierungsrahmen. Daher kann es von Vorteil sein, beispielsweise jeden Tag am Frühstückstisch oder auf dem Weg zur Schule kleine Deutscheinheiten einzulegen und abends vor dem Schlafengehen das Gelernte noch einmal kurz zu wiederholen. So wird Deutschlernen Teil der täglichen Routine und gerät auch nicht so leicht in Vergessenheit.
Aber auch gegen “spontan zwischendurch”, wenn sich gerade eine passende Gelegenheit ergibt, ist nichts einzuwenden. Was ihr aber unbedingt vermeiden solltet, ist, das Kind zum Deutschlernen aus dem freien Spiel herauszureißen oder gleich nach einem anstrengenden Schultag an den Schreibtisch zu setzen, weil es rein aus eurer Elternsicht gerade ein passender Zeitpunkt ist.
Jeder falsch gewählte Moment (mit etwas anderem beschäftigt, müde, abgelenkt) wird bei Kindern unnötigen Widerstand aufbauen, den man anfangs vielleicht noch einigermaßen gut überwinden kann. Aber auf Dauer wird das Deutschlernen von den Kindern als zusätzliche Last empfunden und abgelehnt – die größte Hürde für das regelmäßige und erfolgreiche Deutschlernen zu Hause!
7 – Ohne Druck und Zwang
Der Fokus, den wir auf die mehrsprachige Entwicklung unserer Kinder richten, kann vieles verändern. Anstatt uns darauf zu konzentrieren, was sie alles noch nicht können, vor allem im Vergleich zu Kindern, die monolingual in einem deutschsprachigen Umfeld aufwachsen, sollten wir unsere Aufmerksamkeit auf das richten, was bereits vorhanden ist und dort ansetzen – mit Leichtigkeit, guter Laune und ganz ohne Druck und Zwang.